In unserer täglichen Praxis werden uns immer wieder arbeitsrechtliche Fragen zum Thema „Geringfügige Beschäftigungen“ gestellt. Aus diesem Grund haben wir heute hierzu einen ausgewiesenen Experten befragt.
KOST: Welche Unterscheidung gibt es bei den geringfügigen Beschäftigungen?
Dr. Ralf Kittelberger: Man unterscheidet zwischen
- geringfügig entlohnten Beschäftigungen
bei denen das Arbeitsentgelt monatlich EUR 450,00 brutto nicht übersteigen darf,
- kurzfristigen Beschäftigungen
wenn die Beschäftigung von vornherein auf nicht mehr als drei Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage (ab 01.01.2019: zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage) im Kalenderjahr begrenzt ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Die Höhe des Verdienstes ist dabei unerheblich.
Von dem Drei-Monats-Zeitraum ist auszugehen, wenn der Minijob an mindestens fünf Tagen in der Woche ausgeübt wird. Bei Beschäftigungen von regelmäßig weniger als fünf Tagen in der Woche ist auf den Zeitraum von 70 Arbeitstagen abzustellen
und
- Beschäftigungen in der sog. Gleitzone
zwischen EUR 450,01 brutto und EUR 850,00 brutto.
KOST: Hat ein Minijobber Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?
Dr. Kittelberger: Das Minijob-Arbeitsverhältnis ist ein vollwertiges Arbeitsverhältnis mit allen arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten, die auch im „Normalarbeitsverhältnis“ gegeben sind. Der Minijobber hat ebenso wie jeder andere Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Urlaub, Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall, betriebsübliche Einmalzahlungen und Sozialleistungen, was häufig nicht in dieser Klarheit bekannt ist.
Er kann sich ferner auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und die Aufstockung seiner Arbeitszeit verlangen; Befristung und Kündigung unterliegen denselben Vorschriften und derselben Rechtskontrolle wie normale Arbeitsverhältnisse.
Letztlich besteht für den Minijobber auch der Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns.
KOST: Muss die Arbeitszeit für jeden Minijobber dokumentiert werden, insbesondere unter Berücksichtigung des Mindestlohns?
Kittelberger: Arbeitgeber, die gleichgültig in welcher Branche Minijobber oder Arbeitnehmer (!) in den in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) genannten Wirtschaftsbereichen beschäftigen, d. h.
- im Baugewerbe,
- im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
- im Personenbeförderungsgewerbe,
- im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe,
- im Schaustellergewerbe,
- bei Unternehmen der Forstwirtschaft,
- im Gebäudereinigungsgewerbe,
- bei Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
- in der Fleischwirtschaft,
müssen nach § 17 Mindestlohngesetz (MiLoG) die Arbeitszeit dokumentieren.
Das MiLoG verpflichtet sie, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertags aufzuzeichnen. Für Minijobber sind nunmehr nicht nur die Dauer, sondern auch der Beginn und das Ende zu erfassen. Dies stellt einen massiven zusätzlichen Verwaltungsaufwand dar und belastet gerade den eigentlich unbürokratischen Minijob.
KOST: Werden mehrere (geringfügige) Beschäftigungen zusammengerechnet?
Kittelberger: Es ist danach zu differenzieren, ob eine oder keine Hauptbeschäftigung ausgeübt wird.
- Wird keine Hauptbeschäftigung ausgeübt, gilt Folgendes:
Hat ein Arbeitnehmer, der mehr als einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht, mehrere EUR 450,00-Minijobs bei verschiedenen Arbeitgebern nebeneinander, sind die Arbeitsentgelte aus diesen Beschäftigungen zusammenzurechnen.
Wird bei Zusammenrechnung mehrerer EUR 450,00-Minijobs die monatliche Grenze von EUR 450,00 brutto – wie meistens – überschritten, handelt es sich nicht mehr um Minijobs. Vielmehr sind diese versicherungspflichtig bei der zuständigen Krankenkasse zu melden.
- Geht ein Arbeitnehmer einer Hauptbeschäftigung (= einer mehr als geringfügigen Beschäftigung) nach, kann daneben nur ein EUR 450,00-Minijob ausgeübt werden.
Der zweite und jeder weitere EUR 450,00-Minijob wird mit der Hauptbeschäftigung zusammengerechnet und ist in der Regel versicherungspflichtig in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Lediglich Arbeitslosenversicherungsbeiträge müssen für diese Beschäftigungen nicht gezahlt werden.
Ausgenommen von der Zusammenrechnung mit der versicherungspflichtigen Beschäftigung wird nur der zeitlich zuerst aufgenommene Minijob.
KOST: Kann ein Minijobber in Ausnahmefällen auch über EUR 450,00 verdienen?
Kittelberger: Ja, bei einem nur gelegentlichen und nicht vorhersehbaren Überschreiten der Arbeitsentgeltgrenze finden die Minijob-Regelungen weiterhin Anwendung. Als gelegentlich ist dabei ein Zeitraum von bis zu drei Monaten innerhalb eines Jahres anzusehen. Die regelmäßige Zahlung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld ist beispielsweise vorhersehbar; ein erhöhter Arbeitseinsatz beim Ausfall anderer Arbeitnehmer gilt dagegen als nicht vorhersehbar.
KOST: Kann neben dem Bezug einer Rente eine geringfügig entlohnte Beschäftigung ausgeübt werden?
Kittelberger: In Bezug auf die versicherungsrechtliche Beurteilung eines Minijobs, der von Rentnern oder Ruhestandsbeamten ausgeübt wird, sind grundsätzlich keine Besonderheiten zu beachten. Der Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung ist auch für diesen Personenkreis zu zahlen. Abhängig von der Renten-/Versorgungsart existieren unterschiedlich hoch bemessene Hinzuverdienstgrenzen (vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze), die bei Nichtbeachtung zur Kürzung oder sogar zum Wegfall der Rente/Versorgung führen können.
Dr. Ralf Kittelberger ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Gesellschafter-Geschäftsführer der SLP Anwaltskanzlei Dr. Seier & Lehmkühler GmbH in Reutlingen. www.slp-anwaltskanzlei.de